Wie soll das eigentlich gehen mit dieser verdammten Vereinbarkeit? 17 Tipps und Strategien für Mütter (und Väter) gegen den Alltagswahnsinn.

Vergiss die Erwartungen der Anderen und gehe deinen Weg

27 Jahre ist es her, als mein erstes Kind mein Leben total auf den Kopf stellte, auf wunderbare und auf herausfordernde Weise. Vor sechs Jahren ist mein letztes Kind geboren worden.

So konnte ich am eigenen Leib erfahren, wie sich die Erwartungen an Mütter im Laufe der Jahre geändert haben.

Und eins ist mir klar geworden: Es geht bei all dem nicht um die Mütter. Auch gar nicht so sehr um die Kinder. Es geht vor allem um ein Bild, dass sie zu füllen haben, ob das nun die Vollzeitmutter ist oder die Mutter, die ein Jahr nach der Geburt voll wieder in den Job einsteigt.

Geht es aber um die eigene Lebenszufriedenheit, dann braucht es das Selbstbewusstsein, den eigenen Weg zu vertreten, auch wenn er nicht der aktuellen gesellschaftlichen Strömung entspricht.

Bei der Geburt meines ältesten Kindes blieben die meisten Mütter mindestens 3 Jahre bei ihren Kindern zu Hause, viele noch länger, vor allem bei mehreren Kinder.
Nicht immer taten sie das freiwillig. Außer in Großstädten gab es schlicht und einfach zu wenige Betreuungsmöglichkeiten.

Ich selbst hatte mich während der ersten Jahre meiner Kinder in kleinem Rahmen selbstständig gemacht und konnte meine Zeiten gut einteilen. Gleichzeitig war es wirklich schön, dass damals es auch außerhalb der Kitas viele Spielkameraden für meine Kinder gab. Ich hatte mich auch vormittags oft mit anderen Müttern getroffen und habe das als wunderbare Zeit in Erinnerung.

Als 17 Jahre später mein drittes Kind geboren wurde, wurde gerade das Elterngeld eingeführt.

Eine große Erleichterung für viele Familien, ohne Zweifel.
Doch gleichzeitig gab es nun auch die Erwartung, dass die Mutter nach einem Jahr, am besten in Vollzeit, wieder einsteigt. Die Spielplätze leerten sich vormittags zunehmend und ich wurde, als mein Kind 1 Jahr alt war, nicht mehr gefragt, wann mein Kind in die Kita kommt, sondern nur noch, wo es in die Kita geht.

Als mein Sohn 2 war, gab es kaum noch Kinder, die nicht in einer Betreuung waren. Gleichzeitig sah ich, wie viele Mütter sich im alltäglichen Stress zerrieben. Kleinkind krank, unruhige Nächte, fordernder Job, verständnislose Kollegen…

Nach Vereinbarkeit sah das für mich nicht aus. Auch wenn es natürlich ein paar Beispiele gab, wo es gut lief.

Ich will an dieser Stelle nicht bewerten, was besser oder schlechter ist. Viel entscheidender als meine persönliche Meinung, die ja wieder nur das ist, was das Beste für unser Familienleben ist, ist es, dass du erforschst, was eure Familie braucht. Mit dem Partner, wenn er vorhanden ist.

Deswegen führen meine Tipps und Strategien von innen nach außen.
Eins möchte ich dir noch ans Herz legen, bevor ich loslege: Wir sind alle Reisende auf einem recht neuen Weg der Partnerschaftlichkeit und Selbstbestimmung.
Es ist normal, dass wir dabei auch mal stolpern, einen Schritt zurückgehen und dass nicht alles nach Plan verläuft.

Gleichzeitig haben wir eine Chance, die die Generationen vor uns nicht hatten. Nutzen wir diese Chancen und lasst uns auf diesen Weg geduldig mit uns selbst und anderen Menschen sein. Gebe dir immer wieder selbst Wertschätzung für all das, was du bereits tust. Und gebe diese Wertschätzung auch deinem Partner und deinen Kindern.

Meine Tipps gegen den Alltagswahnsinn und für mehr Gelassenheit

Meine Tipps gegen den Alltagswahnsinn und für mehr Vereinbarkeit schreibe ich hier für euch auf. Denn natürlich lief bei mir nicht immer alles reibungslos. Das tut es auch heute nicht. Ich hatte Phasen in meinem Leben, in denen ich total erschöpft und ausgebrannt war. Doch ich habe Strategien entwickelt, die mir helfen, selbstwirksam zu handeln und meinen Weg mit meiner Familie zu leben.

  1. Die ganze Idee von Vereinbarkeit ist für die Katz, wenn das, was du tust, nicht das ist, was du tun willst.
    Wenn du gegen dich selbst lebst, erzeugt das unglaublich Stress.
    Daher: stelle dir die richtigen Fragen. Es fängt mit dem Einstieg nach der Elternzeit an. Wie lange möchtest du bei deinem Kind bleiben? Wenn du gerne Vollzeitmutter bist, dann vertrete das selbstbewusst. Und wenn du gerne wieder arbeiten und Geld verdienen möchtest, dann kannst du dazu stehen. Aber auch, wie geht es deinem Kind damit? Kinder brauchen zuverlässige Bindungspartner. Und ja, das kann auch der Partner, eine Oma oder auch eine Erzieherin sein. In großen Familien haben kleine Kinder von Geburt an auch andere Bindungspersonen, auch wenn die Hauptbindungsperson in der Regel die Mutter ist. Die Kleinfamilie ist ja eine neuzeitliche Erfindung. Je mehr wir uns einen Clan schaffen, desto besser geht es uns mit der Vereinbarkeit.
    Wie stellt sich dein Partner seine Arbeitszeiten vor? Könnt ihr euch vorstellen, beide reduziert zu arbeiten?
    Die Geburt eines Kindes verändert dich. Vielleicht willst du jetzt etwas ganz anderes beruflich machen. Was ist das, was du wirklich tun willst? Vielleicht willst du dich selbstständigmachen. Die Zeiten sind heute dafür gut, sich in der Elternzeitnebenberuflich selbstständigzu machen. Später kann daraus eine hauptberufliche Selbstständigkeit werden.
    Vielleicht willst du dich woanders bewerben. Oder noch eine Weiterbildung machen.
    Entwickele eine Vision, schreibe sie auf oder erstelle ein Visionboard. Visionen, die wir auf Papier festhalten und uns immer wieder anschauen, haben eine starke Sogwirkung. Und beim Visionieren ist alles erlaubt.
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  2. Du hast Kinder. Und je selbstbewusster du mit dieser Tatsache auch in dem Unternehmen umgehst, in dem du arbeitest, desto eher stellen sich die Unternehmen darauf ein.
    Und das gilt auch für die Väter. Ich kann nicht zählen, wie oft ich von Vätern schon den Satz gehört habe: „In meinem Unternehmen kann ich nicht Teilzeit arbeiten. Im selben Unternehmen arbeiten Mütter nach der Elternzeit in Teilzeit. Dass das für Väter nicht gehen soll, ist einfach nur Mindfuck. Wir brauchen Väter, die selbstbewusst sind. Die sagen: „Ja, ich habe Kinder. Und nein, die haben keinen Ausschaltknopf wie mein Computer. Die haben Bedürfnisse. Ich auch. Nach ihrer Nähe. Ist so. So what?“
    Einen neuen Mitarbeiter zu suchen und einzuarbeiten ist fünf mal so kostenintensiv wie einen eingearbeiteten Mitarbeiter zu halten. Das ist vielen Unternehmen in Zeiten des Fachkräftemangels bewusst. Gehe ruhig auf deine Chefin oder deinen Chef zu und erkläre ihnen, wie du dir vorstellst, deine Arbeit mit deiner Familie vereinbaren zu können. Von einer ausgeglichenen Mitarbeiterin hat auch dein Unternehmen etwas. Eine Freundin von mir ist nach Norwegen ausgewandert und arbeitet dort als  Chefärztin in einer Klinik. Dort werden keine Besprechungen nachmittags anberaumt. Der Nachmittag ist Familienzeit. Geht doch! Und das in einem der reichsten Länder der Welt.
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  3. Vereinbarkeit ist eine Aufgabe für beide Partner.
    Noch viel zu oft übernimmt die Mutter viele Aufgaben automatisch. Besprecht regelmäßig, wer wann was macht. Auch eher unbeliebte Termine wie Arzttermine können aufgeteilt werden.
    Doch schaut dabei auch, was wirklich notwendig ist und was nur dem Gedanken entspringt, dass es notwendig ist. Wer kennt nicht das große Aufräumen vor einer Geburtstagsparty, nur um festzustellen, dass schon 10 Minuten nachdem die kleinen Gäste eingetrudelt sind, ein fortschreitender Zustand der Verwüstung eintritt.
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  4. Der Perfektionismus ist der größte Feind der Lebensfreude.
    Lebensfreude bedeutet: fließen lassen, annehmen, in der Gegenwart leben. Perfektionismus ist auf die Zukunft ausgerichtet. Um beim Kindergeburtstag zu bleiben; für wen räumen wir eigentlich so gnadenlos vorher auf? Den Kindern ist es meistens schnurzpiepegal, solange das leckere Essen stimmt und die Freunde da sind. Ist es für uns, weil wir ein inneres Bild von einem gelungenen Geburtstag haben und das mit unserer Arbeit erfüllen wollen. Ist es für die anderen Eltern, die über die tolle Party staunen sollen? Vielleicht macht es dir aber auch unglaublich viel Freude, alles detailliert vorzubereiten. Wunderbar. Wenn nicht, mache nur so viel, wie notwendig ist, um den Geburtstag zu feiern und deine Laune dabei zu halten. Du wirst sehen, er wird genauso schön.
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  5. Einfach mal laufen lassen.
    Das ist etwas, was Väter oft viel besser können. Und Mütter regen sich dann darüber auf. Nee. Besser ist, es auch mal zu laufenzulassen. Wenn wir einen sehr strukturierten Alltag haben, dann brauchen wir die Pausen davon. Und die Welt geht nicht unter, wenn wir heute nicht zum Kinderturnen gehen, weil wir lieber uns gemütlich einen Film anschauen wollen. Das steht nicht im Widerspruch zu Punkt 2, sondern heißt lediglich, dass wir auch in der Lage sind, uns dem jeweiligen Tag hinzugeben.
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  6. Ruhepausen sind genauso wichtig wie die aktiven Zeiten.
    Sonst brennst du irgendwann ab wie eine Kerze, die an zwei Seiten angezündet worden ist. Ich selbst bin ja ein Mensch mit viel Energie und habe lernen müssen, meine Pausen in den Tag genauso einzubinden wie die Phasen, in denen ich arbeite.
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  7. Lerne eine Methode, dich bewusst zu entspannen.
    Total wichtig. Dafür brauchst du auch keinen Kurs, um eine Entspannungsmethode zu lernen. Lade dir eine App auf dein Handy und halte dir wenigstens 5 Minuten am Tag dafür frei. Am besten immer zur selben Zeit. Dann entsteht eine Gewohnheit daraus. Es ist nicht so entscheidend, welche Methode du wählst, ob Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung, bewusstes Atmen oder Meditation. Hauptsache du tust es, und zwar bevor du völlig fertig und gestresst bist. Denn wenn du geübt bist, kannst du so viel leichter aus angespannten Momenten bewusst aussteigen.
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  8. Stressauslöser identifizieren.
    Jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf bestimmte Situationen. Der eine Mensch bleibt cool, während ein anderer schon innerlich kocht. Reflektiere nach einer stressigen Situation, was dazu geführt hat und überlege dir, was dir helfen würde, diese Situation im Vorfeld zu entschärfen. Schau auch, wo eine ähnliche Situation schon einmal entspannt verlaufen ist und was damals anders war. Versuche diese Elemente zu übertragen.
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  9. Du bist nicht deine Gedanken.
    Besonders bei der Meditation lernst du, deine Gedanken wahrzunehmen als etwas, was kommt und geht. Und was wir auch bewusst ziehen lassen können.
    Ein großer Teil der Gedanken, die wir täglich denken, sind dieselben Gedanken, wie am Tag Vor allem belastende Gedanken tauchen gerne in einer Gedankenspirale. Die Gedanken, die wir über eine Situation haben, erzeugen oft mehr Stress als die Situation selber. Wir unterstellen schnell im Gedanken Menschen eine Intention, die sie gar nicht haben. Das passiert. Wichtig ist, dass wir erkennen, wenn unsere Gedanken Selbstläufer werden. Nicht zum Spielball unserer Gedanken zu werden bedeutet auch, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen.
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  10. Gib einer schwierigen Situation eine andere Bedeutung.
    Manchmal gibt es Situationen, die wir gerade nicht ändern können. Der Ärger über eine Situation verschärft diese oft und erzeugt Stress. Es hilft, die Situation zu akzeptieren wie sie ist und sie von einer anderen Sicht zu betrachten.
    Wir sind zum Beispiel im letzten Urlaub mit Germania geflogen. Wir kamen noch zum Urlaubsort. Am nächsten Tag erreichten mich aufgeregte Nachrichten vom Reisebüro, wir sollen uns unbedingt melden, wegen dem Rückflug und der Germania-Pleite. Äh, wie? Pleite?
    Den Rückflug bezahlten wir aus eigener Tasche bei einer anderen Fluglinie. Darüber hätte ich mir den Urlaub versauen können. Ich entschied mich aber, mich darüber zu freuen, dass wir noch hingekommen sind und nicht wie die Reisenden einen Tag später gar nicht erst losgekommen sind. Und ich freute mich, dass wir noch genug Zeit hatten, einen Rückflug zu buchen. Die Insolvenz konnte ich nicht ändern. Meine Reaktion darauf schon.
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  11. Keine belastende Situation bleibt für immer.
    Leben ist Veränderung und das, was jetzt schwierig erscheint, ist morgen vielleicht schon gelöst. Auch du hast sicher schon viele Herausforderungen gemeistert. Rufe sie dir in Erinnerung und vertraue darauf, dass du auch diesmal einen Weg finden wirst, die Situation zu lösen, auch wenn sie dir gerade unlösbar erscheint.
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  12. Präsenz.
    Oft sind wir im Gedanken schon bei der nächsten Aufgabe. Das stresst ungemein und hindert uns am Glücklichsein. Wenn du bemerkst, wie du beim Spielen mit deinem Kind bereits an die Einkaufsliste denkst, dann bringe dich bewusst zurück in die Gegenwart. Schaue dir dein Kind an. Seine Schönheit. Die Wimpern, die Augen, die zarte Haut und die Stimme. Lausche dem Atem und den Geräuschen um dich herum. Spüre in deinen Körper hinein. Unsere Sinne bringen uns in die Gegenwart. Glück entsteht durch das Spüren.
    Mache das, was du machst, bewusst und mit voller Präsenz. Und dann erst kommt das nächste dran.
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  13. Was ist wirklich wichtig?
    Das bedeutet, auch immer wieder zu entscheiden, was gerade wirklich wichtig ist. Lasse los, was du nicht brauchst, ob es Gedanken oder Aufgaben sind und mache das, was wirklich wichtig ist. Du entscheidest, was du mit deiner Zeit anfängst. Jeder Mensch, ob arm, ob reich, ob alt oder jung, hat jeden Tag genau 24 Stunden zur Verfügung. Das ist Zeitgerechtigkeit. Selbstbestimmung bedeutet, selbst zu bestimmen, was du mit dieser Zeit machen willst. Ja, das bedeutet Verantwortung für sich selbst übernehmen. Doch je mehr wir selbstverantwortlich handeln, desto leichter fällt uns das.
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  14. Abgeben und delegieren.Zur Selbstverantwortung gehört auch, Aufgaben zu delegieren. Gerade Mütter neigen ja dazu, alles selbst erledigen zu wollen. Und noch alles für die anderen Familienmitglieder dazu. Bedürfnisorientierung ist aber keine Einbahnstrasse. Es bedeutet eben auch, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und zu äußern, wenn ich Unterstützung brauche.
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  15. Ein Netz aufbauen.
    Wir leben nicht mehr im Clan, aber wir können uns ein clanähnliches Netz schaffen. Dazu gehören Freunde, Familienmitglieder, auch die Erzieherinnen, wenn es passt, andere Eltern, Nachbarn, Babysitter, Lieferdienste, Haushaltshilfen und die sozialen Netzwerke. Der praktische und emotionale Rückhalt, der durch ein gutes Netz entsteht, ist enorm. Es lohnt sich, daran zu bauen und auch selbst Teil eines Netzes für andere Eltern zu sein.
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  16. Spiele!
    Ja, wirklich. Bei all den Aufgaben vergessen wir manchmal die Leichtigkeit des Seins. Spielen bringt diese Leichtigkeit zurück. Ob du mit deinen Kindern Federball spielst, beim Improtheater mitmachst oder mit deinem Partner Karten spielst, ist egal. Hauptsache, es ist etwas, was einfach nur der Freude dient.
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  17. Und zum Schluss noch mal: Tust du, was du wirklich tunwillst?
    Je selbstbestimmter du deinen Tag verbringst, desto zufriedener bist du. Stelle dir immer wieder diese Frage. Und überlege dir, wenn du noch weit von dem entfernt bist, zu tun, was du wirklich tun willst, was du heute dafür tun kannst, um deiner Vision ein Stück näher zu kommen. Vielleicht ist es nur ein Mikroschritt, doch viele kleine Mikroschritte schaffen Veränderung.
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    Es ist dein Leben, deine Familie, dein Glück. Du entscheidest!

Links:

Wie war das eigentlich früher mit der Vereinbarkeit von Arbeit und Kindern?

Hilft ein Home-Office für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Und was ist eigentlich New Work und was ein Online-Business?

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